In der Einspruchsbeschwerde T 1946/21 wurde die Frage der Wirksamkeit der Priorität des Patents EP3077606 kontrovers diskutiert.
Der Einsprechende verwies auf die ständige Rechtsprechung und führte aus, dass für die wirksame Inanspruchnahme der Priorität die Übertragung des Prioritätsrechts vor dem Anmeldetag und nicht erst an dem Anmeldetag der Nachanmeldung erfolgt sein müsse. Das EPÜ kenne keine Zeiteinheit, die kleiner als ein Tag ist, und wenn die Rechtsübertragung vor der Folgeanmeldung erfolgen soll, müsse sie mindestens einen Tag früher erfolgen.
Die Kammer konnte diesem Argument nicht folgen. Nach Ansicht der Kammer kann das in Artikel 87 (1) EPÜ und Artikel 4A (1) der Pariser Verbandsübereinkunft verankerte Prioritätsrecht des „Rechtsnachfolgers“ nicht so weit eingeschränkt werden, dass die Abtretung des Prioritätsrechts bereits vor dem Anmeldetag der Nachanmeldung wirksam sein muss. Dies könnte zu Situationen führen, wenn keiner berechtigt ist, das Prioritätsrecht zu nutzen – weder der bisherige Anmelder, da er sein Recht bereits abgegeben hat, noch der Nachanmelder, da er noch auf den nächsten Tag warten muss, um die Priorität beanspruchen zu dürfen, vgl. T 1946/21.